„Die meisten Personen, die abgetrieben haben, bereuen den Schwangerschaftsabbruch danach.“
Hier ist die aktuelle Studienlage eindeutig anders: 95% der Personen, die eine Abtreibung vorgenommen haben, bereuen den Eingriff oder medikamentösen Abbruch auch drei Jahre später nicht. Emotionen im Zusammenhang mit einem Schwangerschaftsabbruch hängen meist mit dem persönlichen und sozialen Kontext zusammen und sind nicht das Produkt des Abtreibungsvorgangs selbst. Langfristig ist das vorwiegende Gefühl nach einem Abbruch ist bei den meisten Erleichterung.
„Schwangerschaftsabbrüche sind höchst traumatisch für Mütter. Bei vielen tritt ein „Post-Abortion-Syndrom“ als Form der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) auf.“
Das sogenannte „Post-Abortion-Syndrom“ konnte in Studien nicht nachgewiesen werden und wird in medizinischen Klassifikationssystemen wie dem ICD-11 und DSM-5 nicht erwähnt. Dadurch, dass im Falle einer ungewollten Schwangerschaft eine wichtige Entscheidung getroffen werden muss, kann eine vorübergehende depressive Verstimmung auftreten. Vor dem Abbruch ist die Belastung dabei am höchsten, vor allem durch Stigmatisierung und Zugangshürden zu einer sicheren medizinischen Versorgung bei Wunsch nach einem Schwangerschaftsabbruch. Trotzdem führt das Austragen einer ungewollten Schwangerschaft zu einer größeren psychischen Belastung als ihr Abbruch.
„Bewegungen gegen das Recht auf Abtreibung verteidigen die Mutterrechte und schützen die Würde und das Leben von Frauen.“
Indem dafür plädiert wird, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche einzuschränken oder abzuschaffen, wird schwangeren Personen ihre Selbstbestimmung und die Möglichkeit genommen, selbst über ihren Körper und darüber zu entscheiden, ob sie ein Kind bekommen möchten oder nicht. Mit Kampagnen und getarnten Beratungsangeboten werden schwangere Personen in Not, statt Unterstützung und eine echte Entscheidungshilfe zu erhalten, mit Schuldzuweisungen konfrontiert und gedrängt, ihre Schwangerschaft um jeden Preis fortzuführen
Häufig berufen sich Abtreibungsgegner*innen auf völlig veraltete Familien- und Rollenbilder und verteidigen die biblisch-christliche Unterordnung der Frau unter den Mann. Außerdem wird die Abtreibungsdebatte sowie Themen wie Geschlechtergerechtigkeit häufig von der politischen Rechten als polarisierendes „Deckthema“ benutzt, um hinter diesem andere politische kontroverse Debatten zu verstecken. Dies ist auf den ersten Blick oft nicht erkenntlich.
„Schwangerschaftsabbrüche sind gefährlich. Auch korrekt ausgeführte Abbrüche können mit Komplikationen verbunden sein und viele Frauen sterben dabei.“
Die meisten Betroffenen haben nach einer sicheren Abtreibung keine Langzeitfolgen bezüglich ihrer allgemeinen oder reproduktiven Gesundheit. Bei einem medizinisch korrekt durchgeführten Abbruch kommt es nur bei 0,5 bis 1 Prozent zu Komplikationen. Auch die WHO spricht bei einer Abtreibung von einem sicheren medizinischen Eingriff und empfiehlt Methoden zur entsprechenden Durchführung. Jedoch sterben jährlich ungefähr 80.000 Frauen weltweit, weil sie keinen sicheren Zugang zu Abtreibung haben. Abtreibungsgegner*innen behaupten außerdem, dass Folgeerscheinungen wie Brustkrebs oder erhöhte Unfruchtbarkeit nach Abbrüchen auftreten können. Dies kann in seriösen Studien nicht bestätigt werden.
„Eine Abtreibung kann nur durch eine gewaltvolle Operation durchgeführt werden, bei der das ungeborene Kind zerquetscht wird.“
99% der Schwangerschaftsabbrüche werden in Deutschland in den ersten 11 Wochen durchgeführt. Zu diesem Zeitpunkt hat sich gerade ein wenige Zentimeter großes Schwangerschaftsgewebe gebildet. Körperteile sind in diesem Sinne noch nicht erkennbar und ein Schmerzempfinden ist auch noch nicht ausgebildet. Die gebräuchlichste operative Methode ist die sogenannte Vakuumaspiration. Dabei wird ein dünnes Röhrchen durch die Vagina in die Gebärmutter geschoben, über das das Schwangerschaftsgewebe abgesaugt wird. Der Eingriff dauert etwa 5-10 Minuten. Eine Abtreibung kann außerdem mit Medikamenten durchgeführt werden. Dafür werden Hormontabletten genutzt, die eine spontane Ausstoßung der Schwangerschaft aus dem Körper bewirken.
„Medikamentöse Abbrüche führen zu starken Blutungen, oft ist dann eine OP notwendig. Außerdem bringt die starke Hormongabe alles im Körper durcheinander.“
Für einen medikamentösen Schwangerschaftsabbruch werden die Medikamente Mifepriston und Misoprostol verwendet, deren Sicherheit und Wirksamkeit längst bestätigt ist. So hat Mifepriston beispielsweise weniger Nebenwirkungen als freiverkäufliches Aspirin. Auch die Aussage, dass nach der Verwendung oft noch eine OP nötig sei, ist falsch. Nur bei 0,063% der medikamentösen Schwangerschaftsabbrüche ist eine nachträgliche operative Entfernung von verbliebenem Schwangerschaftsgewebe notwendig.
„Ab der Befruchtung handelt es sich um einen Menschen, egal in welchem Entwicklungsstadium die Schwangerschaft sich zum Zeitpunkt des Abbruchs befindet. Deshalb sollten Abtreibung und auch die Pille danach sowie Verhütungsmethoden, die die Einnistung der befruchteten Eizelle verhindern, verboten sein. Es handelt sich um Kindstötung.“
Die Ansicht, dass ab der Befruchtung von einem Menschenleben zu reden ist, kommt vom Prinzip der Simultanbeseelung aus der katholischen Kirche. Dies ist noch gar nicht so alt. (Es wurde 1869 von Papst Pius IX. als „Apostolicae sedis“ beschlossen.) Die religiöse Intention wird in der Argumentation von Abtreibungsgegner*innen jedoch oft verschleiert.
Bis zu dem Zeitpunkt, zu dem 99% der Abbrüche durchgeführt werden, ist das Schwangerschaftsgewebe nur wenige Zentimeter groß. Ein Bewusstsein wird erst deutlich später ausgebildet, von einem „Kind“ kann noch nicht die Rede sein.
„Der Embryo verspürt große Schmerzen bei einer Abtreibung.“
Zu dem Zeitpunkt, an dem 97 % der Schwangerschaftsabbrüche vorgenommen werden, hat der Embryo noch kein Schmerzempfinden und auch noch kein Bewusstsein entwickelt.
Es bilden sich zwar schon in der 7. bis 15. Schwangerschaftswoche Schmerzrezeptoren, die Nerven in der Wirbelsäule können jedoch erst etwa ab der 19. Woche die Signale der Rezeptoren weiterleiten. In der 23. bis 24. Woche können die Reize das Gehirn erreichen und das Gefühl von Schmerz auslösen. Mindestens bis zur 30. Woche dauert es, bis das Baby wach ist und Dinge wahrnehmen kann.
Daher ist es ausgeschlossen, dass Föten in der 12. Woche Schmerzen empfinden können.
„Ärzt*innen sind nach dem Genfer Gelöbnis verpflichtet, jedes Leben zu schützen. (Sie sollten nach christlichen Werten handeln.)“
Das Genfer Gelöbnis ist eine ethische Richtlinie für ärztliches Handeln. Es hat den über 2.400 Jahre alten Hippokratischen Eid abgelöst, ist aber nicht bindend für ärztliches Handeln.
Im Gelöbnis heißt es: „Die Gesundheit und das Wohlergehen meiner Patientin oder meines Patienten werden mein oberstes Anliegen sein. Ich werde die Autonomie und die Würde meiner Patientin oder meines Patienten respektieren.“ Demnach hat die Selbstbestimmung einen sehr hohen Stellenwert. Ärzt*innen sollten ihre Patient*innen dabei unterstützen, selbst über ihre Sexualität, Gesundheit und darüber bestimmen zu können, ob sie ein Kind bekommen möchten oder nicht. Eine christliche Weltanschauung ist nicht Teil der medizinischen Ausbildung und Berufspraxis. Auch im Genfer Gelöbnis ist sie nicht zu finden.
„Wenn der Zugang zu Abtreibungen erschwert wird, werden weniger Frauen abtreiben“
Ein erschwerter Zugang verringert nicht die Anzahl der Abbrüche, sondern schränkt vor allem die Sicherheit der Prozedur für die schwangere Person ein. Das zeigt sich, werden Regionen, in denen Schwangerschaftsabbrüche legalisiert, flächendeckend und barrierearm verfügbar sind, verglichen mit solchen, in denen der Zugang eingeschränkt ist.
Quellen
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31941577/
https://www.sexuelle-selbstbestimmung.de/6676/die-luegen-von-abtreibungsgegnern/
https://www.arhp.org/mifepristone-safety-overview/
https://www.mehralsdudenkst.org/kampagne
https://www.who.int/health-topics/abortion#tab=tab_1
https://www.guttmacher.org/report/abortion-worldwide-2017
https://next.amboss.com/de/article/Dk01JT
https://bmcwomenshealth.biomedcentral.com/articles/10.1186/1472-6874-14-76
https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0277953619306999?via%3Dihub